Rede zum Slutwalk in Frankfurt am 13.08.2011

No means NO

Um diesem einfachen aber dennoch eindeutigen Slogan im Alltag Wirkung zu verschaffen, gehen wir heute auf die Straße. Aber was heißt das eigentlich „No means no“?

Es bedeutet die Grenzen einer oder eines anderen anzunehmen und ein NEIN als NEIN zu akzeptieren. Sei es im Club auf der Straße bei der Arbeit oder zu Hause. Ein Nein heißt immer NEIN. Es bedeutet die Selbstbestimmung über den eigenen Körper zu respektieren und alle andern selbst entscheiden zu lassen wie sie leben, ficken und wie sie mit ihrer Sexualität umgehen….

Doch was ist mit denjenigen, die es sich nicht immer erlauben können NEIN zu sagen, da sie zum Verkauf ihrer Sexualität gezwungen sind oder nicht aus diesem „Milieu“ rauskommen können? Den Prostituierten.

Noch ein paar Worte vorab. Wir sind uns durchaus bewusst, dass dies ein sehr heikles Thema ist. Wir sind nicht in der Lage uns in diejenigen hineinzuversetzen, die in diesem „Gewerbe“ arbeiten.Wir wissen auch nicht wie es ist als Prostituierte_r zu arbeiten und mensch sich dabei fühlt.

Dennoch erachten wir es als sinnvoll diese Form von vergesellschafteter Sexualität anzusprechen. Auch wenn wir Gefahr laufen könnten uns zu sehr auf unsere Denkmuster zu beziehen.

Doch aus unserem Verständnis heraus, verstehen wir Kritik an Prostitution nicht nur als polarisierende, die nur Opfer, Täter, Sündigende und Ehrenvolle und dergleichen kennt.

Eine Kritik an der Prostitution, die sich nur mit den schwarz-weiß-malerisch gefärbten Positionen der Prostituierten und der ZuhälterInnen befasst, ist zu kurz gefasst. So als ob sich mensch über das Münzwerfen echauffieren würde, weil beide Seiten unterschiedlich geprägt sind; dabei wird aber die Kraft des Daumens, der Abwurfwinkel, die Rotation, Raumtemperatur1, die Positionen der Moleküle im Raum zueinander und so weiter und so fort vergessen; nämlich eine differenzierte Kritik am Vorgang als ganzen.

„We all are prostitutes“

Im Akt der Prostitution kommt symbolhaft zu Vorschein was in der Lohnarbeit abstrakt bleibt. Prostituierte verkaufen den eigenen Körper für eine bestimmte Zeit. Dies tun sie, wie der Großteil aller Menschen, da sie auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind. Prostitution beziehungsweise der Sex ist als eine Dienstleistung anzusehen, in welcher der Körper zum Objekt wird. Darüber hinaus bestimmen sie nicht einmal selbst die Arbeits- und Lohnbedingungen, sondern die Zuhälter_innen. Dies führt zu einer „Hierarchisierung“ der Arbeit, bei welcher das eigentliche Problem, nämlich die nicht- Selbstbestimmung der Prostituierten in den Hintergrund gedrängt wird und somit die Möglichkeit des „Aufstiegs“ mit harten Ellenbogen geboten wird. Somit funktioniert auch die Prostitution nach den Mechanismen unseres Wirtschaftssystems und hat sich so mehr oder weniger legal ihre eigene Nische geschaffen, in der die „Ware“ Sex verkauft wird. Womit wir uns einem weiteren Punkt nähern. Dem zwang dazu, sich überhaupt verkaufen zu müssen, weil es in unserem Wirtschaftssystem nun mal keine andere Möglichkeit gibt um das Leben zu finanzieren.

Werden die Prostituierten in ein Verhältnis gezwungen, in welchem ihr Körper verobjektiviert wird und ihnen Körper und Sex entrissen wird. Dies ist ein Akt der Entfremdung, welcher der kapitalistischen Produktionsweise immanent ist und ein Gefühl des Unbehagens erzeugt.

Deutlich tritt bei der Beleidigung „Hure“ hervor, wie dies verschleiert bleibt. Der gesellschaftlich tabuisierte Akt der Prostitution wird hier gleichgesetzt mit der Person, welche diesen ausübt. Ob die Person wirklich ein_e Prostituierte_r ist, spielt hier keine Rolle mehr. Der Zwang die eigene Arbeitskraft zu verkaufen wird bleibt ausgeblendet. Und zudem ist diese Beleidigung vielleicht auch ein Hinwegtäuschen über das eigene Unbehagen, welches zum Ziel hat sich selbst nicht ganz so Mies zu fühlen. Das vor allem Frauen mit diesem Wort gemeint sind, ist darauf zurückzuführen, dass es trotz der feministischen Kämpfe immer noch Arschgeigen gibt, welche jede Frau als ihr Sexobjekt ansehen.

Da es aber hier auf dem „slutwalk“ vor allem um das bewusste, eigenständige und emanzipierte Verhältnis von frei miteinander lebenden Menschen geht, beenden wir hier diesen Text und machen Feierabend mit schreiben und lesen.

Tretet heute für euch selbst ein und lasst uns zeigen, dass wir nicht nach ihrer Ordnung leben wollen. Lasst uns ihnen zeigen, dass wir in einer Welt leben wollen in der jeder über sich selbst bestimmen kann.

1…, da sich die Münze auf Grund der Brownschen Molekularbewegung bei unterschiedlichen Temperaturen andere Wege bahnt.

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