Das Gefängnis als politischer und kreativer Ort

Künstlerinitiative »Faites votre jeu«

»informationen – Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand, Nr. 71, Mai 2010, 35. Jg. (download pdf)

Die Klapperfeldgasse, mitten in der geschäftigen Innenstadt von Frankfurt, war immer ein unwirtlicher Ort. Schon im 16. Jahrhundert gab es hier ein Haus für Pestkranke, später ein Armen- und ein Zuchthaus. Seit 1886 steht hier ein wuchtiges Gebäude, von abweisenden Mauern umgeben: das frühere Polizeigefängnis. Das preußische Polizeipräsidium sperrte Häftlinge hier ein, die Gestapo nutzte die dunklen Zellen als Verhör- und Folterort. In den 1960er Jahren saßen festgenommene Teilnehmer der Studentendemonstrationen hier ein, und zuletzt mussten Flüchtlinge ihre Stunden vor der Abschiebung aus Deutschland hier verbringen. Seit 2001 wird »das Klapperfeld« offiziell nicht mehr als Gefängnis genutzt, tatsächlich saßen aber auch noch bis 2003 Häftlinge in den düsteren, unhygienischen Zellen. Dann aber, nach mehr als 115 Jahren unrühmlicher Geschichte, stand das Gebäude leer.

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Flattr ist keine Umverteilung

Longtail, Monetarisierung, Aufmerksamkeit als Währung, blablup. Das Blog und der Nrrrdz-Podcast haben jetzt Flattr. Damit könnt ihr etwas Geld an mich/uns spenden, nach einem ganz charmanten System: Man zahlt einen Betrag x pro Monat ein, und der wird dann unter all denjenigen verteilt, auf deren Flattr-Button man klickt. Das Video erklärt das Prinzip.

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Postgender in Bingen

Gerade ist der Bundesparteitag der Piratenpartei in Bingen zu Ende gegangen. Mein durch Twitter und ein bis zwei Stunden Livestream am Samstag Abend geprägter Eindruck ist, dass die Piraten inhaltlich kein Stück weiter gekommen sind. Personaldebatten, GO-Anträge und eine Meta-Diskussion über Kernthemen und Programmerweiterungen standen im Vordergrund der als chaotisch wahrgenommenen Veranstaltung. Und was macht unsere alte Freundin, die Genderdebatte?

Leena Simon hat als für den stellvertretenden Parteivorsitz kandidiert. Dass sich außer ihr keine Frau um ein Vorstandsamt beworben hat, war ein Faktor für ihre kurzfristige Entscheidung, den sie auch in ihrer Kandidatinnenrede transparent gemacht hat. Darüber hinaus positionierte sie sich – im Gegensatz zu einigen ihrer Konkurrenten – zu Fragen wie Atomkraft, Bildung, Freie Software, um ihre Arbeitsschwerpunkte und Kompetenzen deutlich zu machen. Im Anschluss antwortete die Kandidatin auf Fragen aus dem Plenum. Die Schlange vor dem Mikrofon war deutlich länger als bei allen anderen Kandidaten und unter den Fragestellenden waren deutlich mehr Frauen. Bis auf wenige Ausnahmen ging es um Leenas Position in der Genderdebatte, um ihr angebliches Fehlverhalten bei der Gründung einer Mailingliste für Piratinnen und der Herausgabe einer Presseerklärung zu diesem Thema. Der Ton war oft wütend und feindselig, Parteimitglieder versuchten Leena mit immer gleichen Fragen danach, ob denn eine Frau zu sein ihrer Meinung nach als Qualifikation für das Amt ausreiche und ob sie noch irgendwelche anderen Themen außer diesem Gender habe, festzunageln. Leenas Reaktionen waren bewundernswert souverän und am Ende sprangen immerhin 28,2 Prozent der Stimmen dabei raus. Ein Ergebnis im Mittelfeld der Kandidaten. Der Parteivorstand der Piratenpartei besteht am Ende von Bingen ausschließlich aus Männern.

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Vortragseinladung: 19.05.2010 – wie Erwerbslose neoliberal regiert werden

Chistian Schultz (Dipl. Psych., Soz.Päd.)
Erziehung zur Eigenverantwortung – wie Erwerbslose neoliberal regiert werden
Mittwoch, 19. Mai 2010, 19ct, Von Melle Park 5 (“Wiwi Bunker”) 0079

Nachdem bereits mit Jürgen Martschukat am Beispiel der 30er angeregt über die Effekte von Arbeitslosigkeit disktutiert wurde, trägt Mittwoch ein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet für die Gegenwart vor: Christian Schultz leitet die Solidarisch-Psycho-Soziale-Hilfe (SPSH), eine Beratungsstelle für Erwerbslose. Daneben unterstützte er lange Jahre das studentische Seminar “Menschenbilder in der Psychologie” als Lehrbeauftragter.

Gleichwohl der Kritischen Psychologie (Berlin School of Critical Psychology) nahe, nutzt er auch poststrukturalistisches Theorieangebot, wir können uns also auf einen theoretisch fundierten Vortrag eines Praxiserfahrenen freuen.

Texte von der SPSH: spsh.de
Texte zur Kritischen Psychologie: kripsy.de

Der Referent zu seinem Vortrag:

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hs20 man kann nicht alles zusammenlöten

GenderCamp revisited: Wir waren in Hüll und sagen alles! Wir fanden’s durchweg schön, aber voll nicht queer. Ein paar Workshopinhalte werden nacherzählt, ein paar Highlights und Kritikpunkte dazugemischt, wir loben über alles und kommen gerne wieder. Am Ende bleibt die Erkenntnis: Man kann einfach nicht alles zusammenlöten.

Download (mp3, 81,6 MB)

Musik: Alexander Blu – Emptiness

Link I: ABC Hüll

Link II: GenderCamp auf Posterous

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Kritik an Idee für Kriminalmuseum

SPD-Antrag zu altem Gefängnis im Ortsbeirat zurückgestellt

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.05.2010 (download pdf)

Die von einigen Stadtteilpolitikern unterstützte Idee, im ehemaligen Gefängnis an der Klapperfeldstraße ein Kriminalmuseum einzurichten, ist bei der Kulturinitiative »Faites votre jeu« auf heftige Ablehnung gestoßen. Die SPD-Fraktion im Ortsbeirat 1 (Altstadt, Bahnhof, Europaviertel, Gallus, Gutleut, Innenstadt) hatte die museale Nutzung in der Ortsbeiratssitzung am Dienstagabend in einem Antrag vorgeschlagen. Darin sollte der Magistrat aufgefordert werden, zu prüfen, ob in dem Gebäude im Gerichtsviertel, das von der Kulturinitiative derzeit als »selbstverwaltetes Zentrum« genutzt wird, an die wechselvolle Verbrechensgeschichte in der Stadt erinnert werden könne.

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Ein Zimmer in Bremen

Ab Juni werde ich auf einer halben Stelle an der Uni Bremen arbeiten. Ich bleibe in Hamburg wohnen, weil ich Hamburg mag und die Stelle befristet ist. Aber drei Mal pro Woche pendeln ist teuer und anstrengend. Darum suche ich jetzt ein Zimmer in Bremen, in dem ich zwei, vielleicht auch mal drei Nächte die Woche schlafen kann. Ich suche:

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folgend

folgerichtig kann ich nicht sagen „ich bin“ dies oder jenes. kann ich nur sagen ich möchte, unter umstenden, dieses oder jenes sein. aber was ist das jenes oder dieses. ein bild auf das ich mich anpassen will oder male ich das bild selber. stricke ich den pulli den ich vielleicht anziehen werde selber oder ist das gewebe schon in gewisser weise vorgegeben. antworten und fragen füren einen hübschen ringeltanz auf.

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Geschichte hinter Gittern

Mit ihrer Aufarbeitung der Geschichte des Gefängnisses Klapperfeld hat eine Frankfurter Initiative eine Stätte der Erinnerung geschaffen. Diese könnte je.doch bald abgerissen werden.

Jungle World Nr. 19, 12.05.2010 (download pdf)

Von Maximilian Pichl

Die Initiative »Faites votre jeu« hatte im August 2008 das ehemalige Jugendzentrum Bockenheim in Frankfurt am Main besetzt. Mit einem selbstverwalteten Kulturzentrum wollte sie aktiv gegen die repressiven Umstrukturierungen der Stadt vorgehen. Lange blieben die Besetzer jedoch nicht in den Räumlichkeiten des Jugendzentrums, ihnen drohte die Räumung. Mit der Stadt Frankfurt einigte sich die Initiative darauf, in das alte Polizeigefängnis Klapperfeld an der Konstablerwache umzuziehen. Die Entscheidung für den Umzug war innerhalb der Gruppe sehr umstritten. Schließlich symbolisiert das Klapperfeld wie kaum ein anderes Gebäude in der Stadt die Repressions- und Gewaltgeschichte Frankfurts.

Während des Nationalsoiialismus nutzte die Gestapo das Gefängnis, das im Jahr 1886 errichtet worden war. In den siebziger Jahren diente es als Gewahrsamsstelle für Demonstranten der außerparlamentarischen Proteste, später für die Aktivisten gegen die Startbahn West, dann, bis zu seiner Schließung, war das Klapperfeld ein Abschiebeknast. Für die Mitglieder von »Faites votre jeu« war es deshalb fraglich, ob sich ihre Arbeit an einem solchen Ort überhaupt fortsetzen lassen würde. Am Ende haben sie das Beste aus dieser Situation gemacht. Direkt nach dem Umzug gründete sich ein Arbeitskreis, der die Geschichte des Klapperfeld aufarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich machen sollte. In den Kellerräumen des Gefängnisses ist eine Dauerausstellung errichtet worden, die die Geschichte des Ortes dokumentiert, und die Homepage der Initiative (www.klapperfeld.de) präsentiert Interviews mit ehemaligen Inhaftierten und die Ergebnisse der Nachforschungen. Darüber hinaus verfolgt »Faites votre jeu« das Ziel, einen Raum für Selbstbestimmung zu schaffen: Regelmäßig finden politische Diskussionsrunden oder alternative Barabende statt. Das Klapperfeld ist damit zu einem· der zentralen Orte der linksalternativen Frankfurter Szene geworden.

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