SIGINT10 & Feminism: What seemed to be the problem?

Wie ich bereits in meinem kurzen Bericht über die SIGINT10 geschrieben habe, ging es auch am letzten Wochenende in Köln wieder um Geschlecht. Das Thema wurde durch ein Panel auf die Konferenz getragen, das von Ragni1 moderiert wurde und den Titel “Women and Geek Culture: What seems to be the problem guys?” trug. Mit Heather Kelley, Eleanor Saitta, Leena Simon und Svenja Schröder saßen vier (Queer-)Feminist_innen auf dem Podium, die sich mit unterschiedlichen Facetten von Geekness und Netzkultur beschäftigen: Heather entwickelt Spiele, Eleanor ist Security-Consultant, Svenja erforscht das Web 2.0, Leena engagiert sich für Freie Software und ist Mitglied der Piratenpartei. Auf dem Panel wurde nicht kontrovers diskutiert. Es war eher ein Zusammentragen von Erfahrungen mit sexistischen Repräsentationen in Computerspielen, Lehrern, die sich nicht vorstellen können, dass Schülerinnen Interesse an Informatik haben oder unangenehme Anmachen auf Konferenzen. Am Ende stellten sie ein paar Ressourcen vor, um sich im Netz zum Thema und Lösungsansätzen zu informieren.2

Um zu sehen, dass feministische Positionen scharf angegriffen werden, reichte ein Blick auf Twitter. Anstatt sich mit kritischen Nachfragen und Redebeiträgen zu Wort zu melden, kommentierte manch eine_r die Veranstaltung auf diesem Weg mit einem platten Spruch. Das ist zwar etwas feige, heizte die Diskussion im Raum aber trotzdem an. Und auch nachdem alle den Saal verlassen hatten hörte es nicht auf. Ich war während des Panels ziemlich angefressen vom Unvermögen einiger, sich mal auf eine feministische Perspektive einzulassen. Als ich am Abend aber sah, dass sich in verschiedenen Grüppchen Leute (Männer) über Feminismus, Geschlechterrollen, Männlichkeitsbilder und Normativitäten in der Hackerszene unterhielten, war ich sehr zufrieden, denn ich hatte den Eindruck, dass (queer-)feministische Arbeit fruchten kann. Es gibt aber zwei Probleme, die meiner Meinung nach im Weg stehen.

Erstens: Ich hatte den Eindruck, dass vielen im Publikum nicht klar war, mit welchen Feminismen sie es auf dem Podium zu tun hatten. In Deutschland gibt es ja das Problem, dass Feminismus all zu oft mit der Position von Alice Schwarzer gleichgesetzt wird. Anscheinend sind bestimmte Buzzwords wie Heteronormativität, Differenz oder Queer doch noch nicht angekommen – auch wenn manche_r sie selbst im Munde führt. Damit hängt zusammen, dass Feministinnen anscheinend in der Verantwortung stehen, klar zu machen, dass sie nicht sexualitäts- und lustfeindlich sind. Das finde ich gelinde gesagt merkwürdig.3 Auch die Debatten um Intersektionalität und den Zusammenhang von Sexismus, Rassismus, Klassismus und anderen Formen von Diskriminierung, die aus der Geschlechterforschung nicht wegzudenken sind, scheinen vollkommen unbekannte Features von Feminismus zu sein. Es hilft nichts: Diese Punkte müssen wohl explizit benannt werden.

Zweitens: Es ist schwierig zu verstehen, dass komplexe gesellschaftliche Phänomene manchmal paradoxe Handlungsstrategien hervorbringen. Relativ viele haben anscheinend schon von Queer und uneindeutigen Geschlechtergrenzen gehört und finden es wichtig, binäre Normativitäten nicht zu reproduzieren. Ich bin der Meinung, dass feministische Politiken und Theorien die Gefahr der Reproduktion von Heteronormativität und Zwangszweigeschlechtlichkeit wieder mehr selbstkritisch hinterfragen müssen, auch wenn sie diese zum Ausgangspunkt der Kritik nehmen. Es kann aber nicht sein, dass sich Leute hinstellen und Queer auf die Fahne schreiben, die nicht bereit sind, ihre eigenen Praxen zu hinterfragen und ihre Position zu benennen, und damit letztlich nur ihre antifeministischen Reflexe legimieren wollen. Queer ist keine harmlose Variante von Feminismus mit einer moderneren Theorie. Queer ist Widerstand gegen das Normale.

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  1. Sie hat jetzt selbst auch zum Panel bzw. zu einigen “Kritikpunkten” geschrieben: Deaf. For feminism. A reply on failed criticism on a panel at SIGINT
  2. darunter Geek Feminism Blog, Feminism 101 und Do’s and don’t’s of encouraging women in Linux
  3. An dieser Stelle verweise ich auf die sehr klar formulierten 15 Thesen zu Feminismus und Postgender von Antje Schrupp.