„Dschihad in der City“ will den Dschihad in der City

„Dschihad in der City“ ist einer jener Filme, die sich vor allem durch ihr Ende durchstreichen.

Ein junger Brite mit pakistanischen Eltern wird im ersten Teil des Zweiteilers porträtiert. Er geht nach einer islamistischen Propagandaveranstaltung zum MI-5 um Terroristen zu bekämpfen – die plötzlich überall in seiner muslimisch-pakistanischen Nachbarschaft, unter Freunden und Verwandten sich manifestieren. Als Pakistani erlebt er Rassismus, sieht darin allerdings keinen Grund, gegen die Gesellschaft loszuschlagen, der er laut eigenen Worten „alles verdankt“. Die islamistische Szene erscheint nur in ihrer camouflierten Oberfläche der sozial engagierten, friedensbewegten Underdogs. Der erste Teil findet sein Finale im üblen Cliffhanger: Ausgerechnet seine Schwester steckt hinter einem Terrorkomplott und hat inmitten einer öffentlichen Veranstaltung den Zünder in der Hand, als der Bruder sie entdeckt.

Der zweite Teil folgt der Schwester. Sie wird in unwahrscheinlicher Naivität gemalt. Als zunächst westlich orientierte Frau mit einem christlichen schwarzen Freund besucht sie an der Universität Propagandaschulen von Dschihadisten. Zwei zentrale Prüfungen werden ihr auferlegt, als sie demokratische Teilhabe dem Terror entgegensetzt. Der Ideologe fordert sie auf, ein Anti-Terror-Gesetz zu nennen, das durch Proteste gestoppt worden sei. Sie schweigt beschämt. Außerdem befiehlt er ihr, die Emanzipation der Frau in der westlichen Gesellschaft dadurch zu prüfen, dass sie einen Tag im Hijab verbringen solle. Sie erlebt erwartungsgemäß negative Reaktionen. Als ihre Freundin nach erheblichen Drangsalierungen im Rahmen der Anti-Terrorgesetze sich suizidiert, heuert sie bei den Terroristen an, provoziert den Vater mit dem Geständnis ihrer Beziehung zu einem schwarzen Christen dazu, sie nach Pakistan zu schicken. Ihr Freund folgt ihr, wird von der Familie gestellt und fast totgeschlagen. Sie macht dennoch ihre Schulung zur Selbstmordattentäterin durch, bezeugt stets aufs Neue den Sexismus der islamischen Männer und geht trotzdem zurück nach London. Am Ende betätigt sie den Zünder, der sie im letzten Moment verzweifelt umarmende Bruder kann sie nicht davon abhalten.

Bis dahin folgt der Film noch zentralen Erkenntnissen über ambivalente psychologische Konstitutionen von Selbstmordattentäterinnen zwischen Emanzipationswunsch und umgelenkter Aggression. Die islamistische Propaganda wird in ihrer professionellen Dumpfheit dargestellt. Zentraler Aufhänger der Agitation sind die „Brüdern und Schwestern im Irak und Palästina“, die angeblich zu Millionen „ermordet und vergewaltigt“ werden – übrigens eine ganz interessante stereotype Verdrehung der Tatsache, dass Islamisten die Blutbäder in Irak und Afghanistan veranstalten: Der Terror wird sich selbst zur tautologischen Legitimation. Die Protagonistin schluckt aber alles in einer Art Adoleszenz-Verwirrung und Trauer um ihre Freundin.

Mit dem finalen Zünden ihres Sprengstoffgürtels wird der Bildschirm schwarz. Dann folgt ihr Bekenner-Video, in dem sie die Propaganda der islamistischen Ideologen wiederholt. Es folgt unmittelbar der Abspann mit der Moral: Eine Statistik der Muslime, die glauben, der Krieg gegen den Terror und die Anti-Terrorgesetze richte sich gegen sie.

In dieser letzten Minute des Filmes gerät er zur übelsten dschihadistischen Terror-Propaganda. Er schwenkt auf jene Schiene der islamistischen Agitatoren ein, die konkrete politische Zustände zum Vorwand nehmen, weitaus Schlimmeres anzurichten. Grotesk zeichnet er den Terrorismus als Massenphänomen bei Muslimen in der britischen Gesellschaft und unterstellt jenen 80 Prozent von Muslimen, die Angst vor Diskriminierung oder die Ressentiment haben, die Bereitschaft, sich deshalb einen Sprengstoffgürtel umzulegen und ein öffentliches Konzert zu sprengen. Er schürt sublim im dauernden Zeigen der Bauchprothese, in der die scheinschwangere Muslima bestens getarnt ihren Sprengstoff verbirgt, Angst vor muslimischen Frauen und ihrer Sexualität. Mehr als die Anti-Terrorgesetze verdächtigt der Film alle Muslimen der Bereitschaft zum Terrorismus.

Die Angst vor dem Terrorismus wird somit angefacht und zugleich der Terrorismus selbst als Reaktion von Unzufriedenen propagiert. Das Selbstmordattentat hat man seiner aggressiven Momente bereinigt und zum Suizid verklärt, dessen Beweggründe Trauer und Enttäuschung seien. Vom antisemitischen, menschenfeindlichen Wahn der islamischen Terroristen ist nicht die Rede, weil dies die plumpe Gesellschaftskritik überfordern würde. Der Islamist ist privat ein netter Menschen, der halt nicht aus seiner Haut kann und mit einer gehörigen Portion Pech und Diskriminierung ganz menschliches Opfer bleibend Menschen in die Luft sprengt. Das beeindruckt sogar die FAZ: „Man kann daraus lernen.“

Wie diese Verklärung des Selbstmordattentates zur radikalen Protestform überhaupt als Ideologem bestehen kann, erklärt sich aus einer Ahnung darum, wie es tatächlich um gesellschaftliche Zusammenhänge beschaffen ist. Das Selbstmordattentat richtet sich wie der verwandte Amoklauf gegen alle und gegen sich selbst. Die politische Ideologie, die daraus eine Protestform macht, spürt vernebelt etwas vom Fetischcharakter: alle tun etwas und wissen aufgrund der so entfesselten dämonischen Macht nicht mehr, dass sie selbst es tun. Nasima betont die Anklage an alle in ihrem Schlussplädoyer, das eines des Filmes ist. Die äußerste denkbare Form, ein solches vertracktes Ding abzuschaffen, ist „Alles“ abzuschaffen, alles zu vernichten und kaputt zu schlagen. Die Wahl fällt darauf, das Feindlichste der Drohung noch zu vertreten, das man gegen sich selbst gerichtet sieht. Der Islamismus wie jene Ideologien, die ihm das Wort reden sind Zerfallsprodukte bürgerlicher Ideologie. Ihre Sprache strahlt die bürgerliche Kälte aus, der Aufrechnung von Opfern als wären es absehend von der Qualität ihres Todes Äquivalente, die nun mal bezahlt werden müssten.  Mit einem Quentchen Unglück kann dabei jeder vom Tellerwäscher im Terror-Camp zum Top-Terroristen in London werden. Was da an Psychodynamik und ideologischen Komplexen hinzutritt  wird ausgeblendet. Alle Charaktere bleiben mit sich identisch, zur Wahl begabt und zugleich Treibhölzer auf dem gesellschaftlichen Einfluss. Diese Verkürzung ist mitnichten lehrreich. Sie offeriert  und goutiert Legitimationsformen für das Handeln beider Charaktere im Film und wird so zum moralischen Quodlibet.

Weitaus lehrreicher war die ethnologische Dokumentation der Israelin Natalie Assouline in einem israelischen Gefängnis für verhinderte Selbstmordattentäterinnen mit dem Titel „Allahs Bräute„, die hier ausdrücklich und vorbehaltlos empfohlen sei.