Privilegien

In der vorletzten Missy gibt es ein Dossier zu Tierrechten und dem Mensch-Tier-Verhältnis, das ich erst gestern gelesen habe. Dabei bin ich bei einem Interview mit Carol J. Adams auf einen interessanten Gedanken zum Privilegienbegriff gestoßen.

Eine patriarchale Weltsicht geht davon aus, dass der Zweck die Mittel heiligt. Diese Ethik instrumentalisiert die Natur, ebenso wie Tiere und nicht dominante Menschen, zum Teil auf sehr gewaltsame Weise. Aber die Gewalt wird unsichtbar, sie wird von Individuen nur noch als Privileg wahrgenommen, das ihnen Genuss bereitet: das Privileg, Tiere zu essen, Frauen auszunutzen oder sich keine Gedanken darüber zu machen, wer das Hotelzimmer putzt.1

Von Privilegien ist ja oft die Rede, wenn es um die andere Seite dieser komplizierten und verwobenen Machtverhältnisse geht, mit denen wir uns politisch, akademisch und in unseren Leben rumschlagen müssen. Ohne je gezielt danach gesucht zu haben bin ich bisher noch nicht auf eine gute Definition gestoßen. Da der gute alte Foucault (zumindest bei mir) ein bisschen Eindruck hinterlassen hat, setze ich jetzt mal voraus, dass die (oder besser: wir) Privilegierten nicht einfach die Unterdrücker_innen und Täter_innen in einer top-down Beziehung personaler oder juridischer Macht2 sind, wie es in Adams Formulierung noch ziemlich durchklingt. Sie sind dementsprechend aber auch nicht diejenigen, die von jemand noch privilegierterem mit einem verbrieften Vorrecht ausgestattet sind und zum Beispiel Schnapps brennen oder Kirchensteuer eintreiben dürfen. Zumindest bedeutet der Begriff in unseren heutigen Diskussionen etwas anderes. Versuchen wir es also einmal so:

Privilegierte sind Personen (Subjektpositionen), die auf eine Weise in Diskurse und die symbolische Ordnung eingebunden sind, die es ihnen nahe legt, Resultate von Gewaltbeziehungen als genussvoll erlebte Normalität wahrzunehmen. Das Steak, das neue Auto, das saubere Hotelzimmer oder die von Mutti gewaschenen Jeans, die Repräsentationshoheit über Afrikaner_innen,… Was meint ihr: Taugt diese behelfsmäßige Definition?

  1. Carol J. Adams im Interview mit Chris Köver, Missy 1/2011, S. 46.
  2. Vereinfacht: a verbietet b etwas oder a kontrolliert b mit Gewalt.