Der Maulwurf, Talpa europaea, ist ein wunderliches Tier. Trotz seines tagtäglichen Aufenthaltes unter der Erde erscheint er stets gepflegt in seidig glänzendem Schwarz. Seine wühlende Tätigkeit brachte ihm den Hass der deutschen Kleingärtner ein. Das Motiv des mit Spaten und Fallen Maulwürfe mordenden Rentners liegt allerdings tiefer als nur in der ästhetischen Störung des Gartenraumes oder der Versorgung der Pelzmanufakturen. Der Maulwurf in seiner sich durch enge Gänge pressenden Schwärze erinnert ihn an seine infantilen Begegnungen mit dem eigenen Kot. Der schien gleichsam mit Leben begabt, rumorte durchs Gedärm und hinterließ einen schönen Haufen, den die Mutter als Geschenk mit empörten Grimassen beseitigte. Dass dieses, in der Reinlichkeitsdressur besiegte, frech in gebärmutternden Höhlen lauernde und auf brustförmigen Hügeln trohnende Ding, nun ihm, dem gestandenen Mann exakt dort wiederkehren solle, wo er seine repräsentative Oase in Abwesenheit aller ödipaler Konkurrenz schaffen will, ist Grund genug, ihm aufzulauern und den kurzen Hals zu stutzen. Die Reinlichkeitsdressur hat man auf den Garten übertragen. Mit Flammenwerfern und Laubbläsern, Giftspritzen und biodynamischem Ultraschall-Arsenal wird ein Gleichklang erstellt, der vor Herrschaft dröhnt. Dabei macht sich längst keine zu bezwingende Natur mehr darüber lustig. Vor fahlen Maisäckern und stackenblochenen Fichtenforsten blamiert sich die überflüssige Machtdemonstration des ratzekurzen Rasens mit den uniformen Dekorations-“Ideen“ aus dem Baumarkt. Der darob selten gewordene Maulwurf erhielt gemäß dieser Entwicklung eine ambivalente Identität des Unterdrückten, hilflos statt aggressiv, mit Blindenbinde und Pranken, die jedes Kindchenschema erfüllen fand er Eingang in Bilderbücher als meistens etwas verschrobener Geselle. Reale Macht verspottete der Maulwurf nur noch andernorts. In geheimdienstlichen Organisationen unterwühlte er ein ums andere Mal den nationalökonomischen Konsens, die Lappalien Polizei und Mafia überlässt er lieber seiner weniger ehrwürdigen Verwandten, der Ratte. Das regressive Unterirdische des Maulwurfes ist mit dem überirdischen Unsichtbaren verschwistert. Der Maulwurf repräsentiert das zu Unterdrückende im Kampf der Systeme, zugleich das Übermächtige. Niemand weiß, woher er kommt, wer ihn schickte. Auf einmal ist er da und seine Präsenz stürzt den Kleingarten ins Chaos, die Regierungen ins Verderben. Seine Tarnkappe ist das Unbewusste und Unterirdische der Kleingärten, zu denen Regierungen im Auftrag ihrer Kleingärtnergesellschaften oder gegen sie ihre Staaten machten. Manche, die sich gar zu sehr vor den verdrängten Trieben fürchtete, ließ sich einst einen Mantel aus hunderten der kleinen Insektenfresser anfertigen. Weitaus furchtbarere Zeitgenossen ließen hunderte und tausende von Menschen hinrichten, um einen vermeintlichen oder realen menschlichen „Maulwurf“ zu töten. Der Maulwurf symbolisiert Kleingärtnern und Staaten die Wiederkehr des Verdrängten. Dabei steht er in Wirklichkeit über allem: In der Ethnologie nannte man den supervidierenden Blick des funktionalistischen Ethnologen die „Maulwurfsperspektive“. Ungerührt von allem unter ihm blickt er von seinem Hügel herab auf seine Objekte und räsoniert, ohne sie sich je zu nahe kommen zu lassen. Das ist natürlich auch nur eine Projektion von Maulwurffeinden.