stellungnahme könICHreich zu ihren sexistischen Flyern

dieser text wurde von http://www.koenichreichts.de/ über einen öffentlichen verteiler verschickt, mit der bitte der weiterverbreitung. erstmal respekt für fünf seiten text. leider wird hier sexismus als moralisches und persönliches problem verhandelt und nicht als gesellschaftliches verhältnis begriffen. deshalb ist das dann so ein wir-sind-aber-doch-gute-menschen text geworden. teilweise erscheint er aber auch als persiflage/karrikatur und zeigt dadurch, wie heteronormativität sich in party-politics materialisieren und party-politics heteronormative bilder und symbole (re)produzieren kann.

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Hallo ….,

wie wir dir die Tage schrieben haben , haben wir uns im Rahmen unserer Teamsitzung mit dem Thema und deiner Kritik beschäftigen und melden uns nun bei Dir.
Für deine Kritik, die wir mittlerweile von verschiedenen Seiten der Linken Szene mitbekommen haben, möchten wir Dir danken. Du bist die einzige, die uns direkt ansprach und Ihren Missmut und das damit verbundene Unverständnis aussprach, sodass wir nun die Möglichkeit haben uns dazu zu äußern.

Zuerst möchte ich einmal damit anfangen, dass das allgemeine Bild der Öffentlichkeit über das Projekt und die Gruppe könICHreich sehr eingeschränkt ist. Leider, und ich kann dieses „leider“ auch nur betonen, werden wir von den meisten immer noch als reine Party Gruppe wahrgenommen. Das dieses Bild in der Öffentlichkeit weit verbreitet ist, ist natürlich verständlich, da wir die letzten zwei Jahre auch sehr viele Partys veranstaltet haben.
Doch sind wir eigentlich eine Kollektiv von jungen Menschen, dass in verschiedensten Bereichen gemeinsam arbeiten möchte. So begann alles vor Jahren mit diversen Performance Geschichten, Foto-Aktionen und Film-Projekten. Doch durch die zahlreichen Veranstaltungen kamen wir die letzte Zeit nur sehr eingeschränkt zu solchen Projekten. Diesen, für uns selber als unzufrieden stimmenden Zustand, sind wir aktuell am angehen und möchten uns ins Zukunft wieder mehr auf Kunst und Experimentelles konzentrieren. Der Faktor „Party“ wird also im Gesamtkontext könICHreich einen neuen Platz einnehmen.

Ein nächster wichtiger Punkt ist, dass könICHreich kein definiert linkes Projekt ist. Vielmehr sind wir ein Projekt das sich gerade durch die bunte Mischung an Menschen auszeichnet. Definitiv haben wir eine feste Verankerung in die der Linken Szene, betrachtet man das Projekt. Doch betrachtet man die einzelnen Menschen, ist dem nicht so. Einige von uns kommen aus ganz anderen Sozialisationen und Kulturkreisen. So bietet könICHreich eine Plattform, die auch Intern oftmals sehr gegensätzlich ist.

Um endlich zum Thema Sexismus zu kommen, mag ich an dieser Stelle ganz klar sagen, dass das Projekt könICHreich bei solchen Themen definitiv die Stellung der Linken Szene unterstreicht und sich hinter deren Standpunkte stellt. Allerdings ist es für uns oft schwieriger diesen klar zu definieren, da unter dem Aspekt der Kunst oft Grenzen überschritten werden und auch müssen. Kunst definieren wir für uns als Freiraum, der erst einmal unangetastet bleibt, solange er nicht ganz offensichtlich gegen gewisse Vorstellungen und Aussagen spricht. Dies soll nun keine Flucht auf den Standpunkt der Freien Kunst und der damit verbundenen Freiheit zur Provokation oder ähnlichem darstellen. Nein ganz im Gegenteil, ich denke das dieser Flyer in zusammen Arbeit von zwei Menschen entstanden ist, die sich keine Gedanken über Themen wie Sexismus oder ähnliches gemacht haben. Vielmehr gingen sie Ihrem Drang nach Ausdruck und Entfaltung nach. In diesem Falle arbeiteten Frau wie Mann, Hand in Hand und waren sich bewusst darüber was Sie taten.
Für Sie, nicht mehr als ein Fotomotiv, eine Aktion wie wir sie oftmals machen und in Vergangenheit immer taten. Diesen Freiraum zu zensieren, wäre in unseren Augen nicht der richtig Weg sich gegen Dinge wie Sexismus zu wehren.
Den Vorwurf, dass dieses Motiv sich auf weibliche Schlüsselreize konzentriert und wir damit etwas beabsichtigen, wie etwa ein größeres Publikum oder ähnliches, ist in unseren Augen ein unschöner Gedanke, den wir zurück weisen müssen. Nichts der gleichen war bei dem Entstehungsgedanken beabsichtigt. Vielmehr geht es uns darum, eine Foto Serie zu inszenieren, die uns zur Thematik DISKO ROYAL einfällt. Schwerpunkt ist es, den Bereich Fotografie mit dem Medium Flyer zu kombinieren und damit etwas simples, wie einen Flyer, in seiner Fremdwahrnehmung auf zu werten und neu zu schätzen.

Betrachtet man nun das Motiv, ist es natürlich der Blickwinkel, der Entscheidet welche Wertung und Kritik man fühlt. So kam der Gedanke Sexismus bei uns erst auf, nach dem wir deine Mail erhalten haben. Selbstverständlich können wir deine Gedankengänge verstehen, nehmen uns sogar die Zeit ausführlich Stellung zu beziehen, da wir es für sehr wichtig halten und niemanden angreifen wollten und wollen.
Vielleicht verstehst du aber auch unseren Standpunkt bzw. unsere Sichtweise, dass bei uns niemand auf diesen Gedanken kam, da wir in der Gruppe ein Selbstverständnis von Gleichberechtigung unter den Geschlechtern leben. Für uns ist es, trotz der verschiedensten Charaktere und Sichtweisen zur Gesellschaft, selbstverständlich und grundlegend unter solchen gleichberechtigten Verhältnissen zu leben.

Doch nun zu einigen Spezifischen Punkten deiner Mail.
Zu dem zweiten Punkt deiner Mail möchten wir klar sagen, dass DISKO ROYAL keine, auf Linke Kreise zugeschnittene Party darstellt. Vielmehr möchten wir mit dieser Party-Reihe eine, in dem Fall Bodenständige Veranstaltung aufziehen, die Ihren Schwerpunkt auf elektronische Musik legt. Bei der Wahl des Publikums legen wir einzig und alleine Wert darauf, dass es sich um ein ein angenehmes Publikum handelt. Trotzdem findet auch in dieser Veranstaltung unserer Linker Standpunkt seinen Platz, sodass wir verstärkt auf Dinge wie Sexismus etc. achten. Wenn wir sagen verstärkt, meinen wir damit, dass wir uns klar von normalen „Club-Verhältnissen“ Distanzieren.

Zu deinem dritten Punkt könne wir nur sagen, dass für die Gestaltung vielmehr in Kopf-Bereich, Oberkörper-Bereich, Hüft- und Bein-Bereich unterteilt wurde, als in primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale. Dazu kommt das bei genauerer Betrachtung, primäre und sekundäre Merkmale zu sehen sind. Allerdings möchten wir uns von einer solchen Selektion auch Abstand nehmen, da wir keine Merkmale werten möchten, sondern alle für einzigartig sehen.

Nun zum vierten Punkt, der uns um ganz ehrlich zu sein, sehr getroffen hat. Deine Formulierungen waren bisher alle rein der Thematik zugewandt. Punkt vier beginnt aber, uns in unseren Strukturen anzugreifen und das mit einer Art und Weise die wir als sehr negativ aufgefasst haben. Gerade wenn du zu beginnt schreibst, dass du unser Projekt kennst und bisher als „recht reflektierte“ Gruppe wahrgenommen hast.
( auf den Punkt das das Wort „recht“ in diesem Zusammenhang eine Wertung enthält, deren Bedeutung durchaus falsch zu interpretieren wäre, möchten wir verzichten. Doch denke einmal darüber nach, dass wir deine Wortwahl sehr ernst nehmen und eine solche Formulierung uns evtl. Verletzen könnte bzw. einen sehr konträren Effekt haben könnte. Doch möchten wir in keinen Vorwurf verfallen)

Wenn du uns bisher so war genommen hast und uns teilweise sogar mehr als nur flüchtig kennst, fragen wir uns wieso du uns solche Strukturen unterstellst? Natürlich ist alles als Frage formuliert, doch müssen diese Gedanken in Dir ja Raum gefunden haben.
Du Fragst welches Frauen Bild wir vermitteln. Schaue dir vielleicht mal den ersten Flyer an (zu finden auf der Myspace Seite von DISKO ROYAL) und stelle dir die Frage welches Männerbild wir auf Motiv eins vermitteln. Vielleicht geht es uns gar nicht darum, ein Bild von „der Frau“ oder „dem Mann“ zu vermitteln. Denn was soll das für ein Bild sein. In unseren Augen leben wir in einem Zeitalter, in dem es immer weniger die klassischen Geschlechter Rollen mehr gibt, gerade in unseren Szenen. Bestimmt aber in verschiedenen Missständen Gesellschaftlicher Situationen, dass wollen wir nicht abstreiten oder gar vergessen.

So leben wir in einer Gruppe, in der Frauen wie Männer, Ihr Geschlecht entdecken wollen und auch können. Jede Frau Ihre Weiblichkeit und Männlichkeit für sich erleben möchte und ebenfalls jeder Mann seine Männlichkeit und Weiblichkeit. So ist es doch zu verstehen, dass eine Frau durchaus mal Lust hat, sich ein Kostüm anzuziehen, was vielleicht aufreizend ist, männlich ist, farbenfroh, irgendwelchen Klischees entspricht, oder ähnliches, um sich dann in einer Rolle bewegend kennen zu lernen. Für uns ist vieles, was für andere im dogmatischen Geflecht aus Regeln und Verboten nicht erlaubt ist, eigentlich nur eine Facette unsere Gesellschaft, die wir auf unsere Art und Weise erleben möchten. Mal humoristisch, mal kritisch, mal ohne Sinn, mal idealistisch.

Doch zurück zu deiner Frage. Das wir deine Frage als verletzend, fast schon als beleidigend aufgefasst haben, kannst du Dir nun denken. Für uns ist es schmerzhaft und anstrengend seit Jahren immer wieder auf Aggression und Ausgrenzung zu stoßen, in einem Kulturkreis und Umfeld dem wir eigentlich zugewandt sind.
Doch ist es nicht unsere Art und Weise nun zurück zu schießen, auch wenn wir ebenfalls vieles kritisieren. Diese Kritik betrifft nicht dich im speziellen, sondern mehr viele Probleme die auch wir mit Themen Sexismus und Ausgrenzung in der Linken Szene gemacht haben und immer wieder machen. Auch auf unseren eigenes Partys. Frauen wie Männer haben darunter zu leiden. Doch würden diese Argumente nur ablenken von uns und dieser aktuellen Thematik. So sollen Sie an anderer Stelle Ihren Platz und Ausdruck finden.

Das unsere Frauen kein Anhängsel sind, weißt du eigentlich denke ich sehr genau. Frauen gab es bei uns in der Gruppe schon immer und wird es immer geben. Das wir eine Gruppe sind die mehr Männer fasst stimmt, doch hat dies definitiv keinen Einfluss darauf, dass Frauen bei uns in einer unterdrückten oder nicht gleichberechtigten Situation leben. Frau wie Mann hat bei uns die Möglichkeit, sich ihrer/seiner Persönlichkeit entsprechend, zu entfalten. In der Regel sind die Tätigkeiten Geschlechter übergreifend und auch die Vorsitzende unseres Kulturvereins ist eine Frau. In stellvertretender Postion ein Mann. So teilen sich beide die Arbeit im gleichen Maße, sodass auch die Frau in dem Fall keine dominierende Rolle einnimmt, sondern wie immer, eine gleichberechtigte Herangehensweise unseren Weg darstellt.

Ich hoffe das dir unsere Ausführung den Groll und die Wut nehmen konnte und du unseren Standpunkt nach voll ziehen kannst. Unser Projekt möchte sich öffentlicher Kritik gerne stellen doch ist der Umgang wichtig.
So bitten wir dich, wie auch jeden anderen in Zukunft, doch eine friedlichere und gleichberechtigte Ebene der Kritik zu finden. Kritik sollte immer seinen Platz finden und Raum dafür geben wir gerne. Doch fällt es schwer direkt an den Pranger gestellt zu werden und schon halbe Urteile zu hören, ehe man sich äußern darf.

Genau diese Methoden, treiben uns wenige Alternative Projekte in Frankfurt nur weiter auseinander und verbreiten dazu noch Aussagen, deren Richtigkeit gar nicht wirklich hinter fragt werden.
So wird man im Hoch der City Rave Situation als positive alternative zu Frankfurts Club Szene gelobt und im nächsten Zuge für ein anderes Projekt wie DISKO ROYAL verurteilt. Ich denke, jeder der uns kennt sollte wissen, das wir keine Gruppe sind die Sexistisch, Rassistisch, etc. denkt oder handelt.
In diversen Texten, die wir in letzter Zeit veröffentlicht haben, kann man eindeutig sehen/lesen und erfahren das wir ein Projekt sind das sich Mühe gibt, selbst Ihre Partys mit einem Bewusstsein zu füllen, das weit über das einer normale Party Gruppe hinausgeht. Mögen unsere Wege vielleicht gerade bei politisch Aktiven Gruppen belächelt werden und unsere Aussagen und Texte nicht die politischen Erfordernisse erfüllen, ist es ein Ansatz und eine Form des Ausdrucks den Wir als den unseren bezeichnen. Diesen sollte man ebenso tolerieren, wie gelernt haben andere Wege und Ansätze zu tolerieren. Die Grundlage dafür ist Respekt gegen über anderen Gruppen/Menschen und deren Gedanken.

So fand auch deine Kritik einen durchaus sehr respektierten Rahmen und brachte uns, als Gruppe, definitiv wieder ein Stück weiter. Alleine, weil wir uns mal wieder mit der Thematik Sexismus auseinander gesetzt haben. Konfrontation mit sich selbst tut immer gut und man lernt viel.
Dazu kam, dass es sehr schön zu sehen war, wie einig wir uns als Gruppe und Menschen zu einem solchen Thema sind und waren.

Als nun vorletzten Punkt unseres Textes, wäre an zu bringen, dass es kein guter Weg ist sämtliche Flyer weg zu schmeißen. Den Punkt des Entfernens mögen wir absolut akzeptieren. Denn so wie wir in unsere künstlerischen Freiheit toleriert werden möchten, tolerieren wir Regeln, die Häuser wie das A und das B haben. Selbstverständlich. Allerdings kosten Flyer Geld und auch die Handlung an sich wirkt sehr respektlos. Eine E-Mail hätte es getan und man hätte die Möglichkeit gehabt sie abzuholen. So waren sie Verschwendung und endeten im Müll. Sehr schade.
Noch mehr in frage stellen wir das Verhalten, dass sich im C, Dienstags, beim Barabend abspielte. Dort wurden unsere Flyer persönlich verteilt. Unschön wurde es für die Person, als Sie direkt angesprochen wurde und Sie mit der Aussage :“ Früher hätte es dafür auf Maul gegeben“ eingeschüchtert werde sollte. Das dies nicht auf eine positive Reaktion stieß, kann man sich durchaus denken.
Das solche Vorfälle unsere Gruppe eigentlich nur traurig stimmen, möchte ich hier betonen. Wir fragen uns welche Absichten hinter solchen Aussagen stehen. Denn Effekt der Angst, vor körperlicher Gewalt, lösen solche Aussagen nicht aus. Vielmehr aber machen wir uns sehr ernste Gedanken darüber, wieso solche Verhaltensweisen toleriert werden. Doch auch dieses Thema würde den hiesigen Rahmen überschreiten.
Ebenfalls möchten wir die boshafte Absicht unserer Seits, wir wollen Gäste der Soli-Party im A abwerben, klar zurück weisen. In keinem Falle, wollen wir eine Soli-Party im A, die für politische Initiativen steht gefährden oder Publikum abwerben. Ein solcher Gedanke ist unangebracht. Vielmehr sind wir eine Gruppe, die jeder Zeit mit sich reden lässt ob man solche Soli Partys etc. nicht unterstützt.
Unsere letzte Bitte ist, dass die junge Frau auf dem Motiv, die nun schon mehrmals angesprochen wurde, mit Äußerungen wie „sie habe sich billig verkauft“ oder „sie sähe billig aus“, bezüglich dieses Themas/Flyers in Ruhe gelassen wird. Dies verletzt Sie persönlich sehr. Es ist kein schönes Gefühl, öffentlich angegriffen zu werden, als Person, in dem Falle als Frau, und sich auf der einen Seite Sexismus Vorwürfe anhören zu müssen und auf der anderen Seite durch sexistische Bemerkungen und Aussagen beleidigt zu werden.
Wir hoffe das diese Situationen nun bei den wenigen Vorfällen bleiben, da es keine schönen Erfahrungen für die junge Frau und uns als Gruppe sind.

In dem Sinne möchten wir Dir danken und freuen uns bald mal persönlich mit dir sprechen zu können.
Treffen tut man sich bestimmt bald mal wieder.
Schön wäre es, wenn von vornherein eine positivere Herangehensweise statt finden würde, da dann ein solch persönliches Gespräch durch aus sehr konstruktiv verlaufen kann, ohne sich mit Vorwürfen und Rechtfertigungen zu überschütten.
Denn ja da geben wir dir recht: Sexismus hat keinen Platz in unseren Kulturkreisen.
In guten Gedanken
xxxx aus dem könICHreich